} 18 Asialische Gesellschaften und Verhaltensstile Ruft also eine koreanische Mutter ihr Kind mit «Hundedreck», so bedeuret dies lediglich, daß sie unheilvolle Mächte vom Nachwuchs ablenken möchte; denn wer interessiert sich schon für Hundedreck! In der chinesi- schen, vietnamesischen oder koreanischen Welt bezieht sich diese Preisgabe— scheu weniger auf den Haupt— (und damit Allerwelts—) als vielmehr auf den «Vornamen», dessen Verwendung nur einem ganz kleinen Personenkreis ge— stattet ist. Aber auch beim Nachnamen empfiehlt sich Zurückhaltung. Im allgemeinen ist man gut beraten, es bei der Anrede «Abteilungsleiter», «Oberst» oder «Leitender Ingenieur» zu belassen. Drittens hat Sprache eine Identifizierungsfunktion, die sich hauptsächlich mit der Namensgebung verbindet. In den metakonfuzianischen Gesellschah ten haben Namen allerdings, ganz im Gegensatz zur hinduistischen Welt, wenig soziale Aussagekraft. Eher geben sie Hinweise auf den Bildungsstand der Eltern. Wer seine Tochter «Meili» («die Schöne») nennt, beweist im Zweifel weniger literarischen Spürsinn als wer sie beispielsweise «Lijun» («Schöne Herzogin») nennt. Familien(besser Stamm)—Namen stehen in China, japan und Korea an er— ster, in Vietnam dagegen an letzter Stelle des (zumeist) dreiteiligen Namens. Das Chinesische kennt etwa 350 bis 400, das Koreanische und das Vietname— sische dagegen nur etwa 250 Familiennamen, wobei in Korea nicht weniger als 22% Kim («Gold») heißen. Der chinesische «Meier» heißt \Wang («Kö— nig»), Li («Pfirsich») oder Chen, der japanische «Dupont» heißt Yamada («Bergfeld»), Watanabe oder lshibashi («Steinbrücke»), der koreanische oder vietnamesische «Smith» dagegen Kim, Lee, Park und Choi bzw. Vu, Tran, Le oder Hung. Die «Vornamen» (besser: individualisierenden Namen) bestehen zumeist aus einem Doppelwort, etwa jianguo («Staatenerrichter») — ein typischer Männername — oder Xiaoxia («Lachende rosige Wolke»). Ob hinter einem Namen eine Frau steckt, läßt sich besonders leicht imjapanischen erkennen, wo dem Mädchennamen in aller Regel ein «ko» («Kind», z.B. Hanako: «Blumenkind») angehängt ist, oder aber im Vietnamesischen, wo zumindest früher ein «Thi» (Wunschwort für «Zahlreiche Nachkommenschaft») als Mittelteil des Namens üblich war, während bei Knaben im Mittelnamen häufig ein «Van» (wörtl. «Literatur» als Wunschwort für «Guten Erfolg bei der Staatsprüfung») auftauchte. Außerdem erhalten Mädchen häufig Eigen- namen mit «blumigen» Bezeichnungen wie «Chrysantheme», «Rose». «Frühling» oder Symbole weiblicher Tugenden, vor allem aber das Attribut «Phönix» (chin.: feng, vietn.: loan). In Knabennamen kommen demgegen» über meist Bedeutungsträger wie «Tugend» (chin.: de, vietn.: due), «Bflt scheidenheit», «Kraft«, «Mut» oder aber «Drache» vor. Der Familienname bleibt das ganze Leben durch erhalten, während der «Vorname» mit der Adoleszenz verändert werden kann, indem der Betref> fende entweder einen sogenannten «Pinselnamen» oder aber, wie in jüngster VII. Vom alltäglichen Umgang mit Asiaten 3,9 Vergangenheit, einen revolutionären Namen annimmt, so z.B. das chinesi— sche Politbüromttghed Wan LI («Zehntausend Meilen») oder die langjährige Nummer zwei in Vietnam, Truong Chmh («Langer Marsch»), oder (Kim) [kung («Aufgehende Sonne»). Im allgemeinen werden Personen mit ihrem Nachnamen oder einem Zu- satz «Herr» (chin.: xiansheng, Wörtl. «Früher Geborener») oder aber mit «Genosse» (z.B. Wang «tongzhi») angesprochen. Im Koreanischen kommt es darauf an, ob der «Genosse» hierarchisch über oder unter dem Sprechen— den steht. Ist er höher angesiedelt, so hat man ihn mit (dem vornehmeren sino—koreanischen Titel) «Tongji» anzusprechen, im andern Fall mit «Tongmu»- Die Gepflogenheiten der feudalistischen Hierarchie sind auf die moderne «sozialistische» Gesellschaft bruchlos übergegangen. Weit verbreitet sind Spitznamen, im Koreanischen z.B. «Dickschädel» oder «Betonkopf» oder «Yangban», eine zumeist neckend gemeinte Bezeich— nung, unter der früher nur Angehörige der Mandarinatsklasse auftraten. Äl— tere Personen werden häufig mit «Onkel» (Ho Chi Minh z. B. als «Onkel HQ»), mit «Großvater» oder aber «Großmutter», manchmal auch — wie in China - mit «Alte ältere Schwester» (laojie) oder «Alter, älterer Bruder» (laoge) angesprochen, z. B. ein Kellner. Frauen behalten ihren Nachnamen übrigens auch nach der Verheiratung. Im hinduistischen Indien gibt es gegenüber dem bisher Gesagten eine weitaus weniger einheitliche Namensvergabe, weil hier die Kasten/]ati—Dif— ferenzierung durchschlägt. Um in einer anonymen Großstadt zu erkennen, welcher Kaste jemand angehört, braucht man nur seinen Namen zu wissen — und schon hat man im allgemeinen den Schlüssel zu seinem sozialen Schub— fach. Zwar sind die «Vornamen» allen Schichten und ]atis gemeinsam, doch die «Familiennamen» signalisieren dann sogleich wieder, welcher Kaste der Träger angehört. Ein echter Sozialist oder Kommunist ist gut beraten, ledig— lich unter seinem «Vornamen» aufzutreten, während ein Konservativer eher den «Familiennamen» betont. «Vornamen» waren für die unteren Kasten lange Zeit die einzigen Na- mensbezeichnungen. Heutzutage stehen sie im allgemeinen hinter dem «Fa— miliennamen», falls ein solcher verwendet wird. Die meisten Vornamen ent— stammen der religiösen Nomenklatur, wobei die zahllosen Ehrennamen der beiden Hauptgötter Vishnu und Shiva besonders beliebt sind, z.B. «Gopal» (Vishnu/Krishna als Beschützer der Herden), «Madhusudan» (Riesentöter) oder — bei Mädchen — «Lakshmi» (Gattin Vishnus), «Parvati» (Gemahlin 5hivas), aber auch «Asha» (Hoffnung) oder «Sulochana» (Schönäugige). «Familiennamen» erscheinen bei höheren Kasten in der Regel in Form des Ortsnamens der Clanherkunft, bei den unteren Kasten zumeist in Form der Be1”Ufsbezeichnung”. Den Historiker S. Gopal verband mit seinem Vater, dem Staatspräsidenten S. Radhakrishnan namensmäßig nur das «S.», das die Initiale des Ortsnamens Sarvepali bildet. auf den diese südindische