Obwohl zahlreiche Forscher des vergangenen Jahrhunderts Rhizopaden beobachtet und beschrieben haben, verdanken wir die meisten Kenntnisse über diese Tiergruppe dem Schweizer Gelehrten Eugen Penard, der um die Jahrhundertwende meh rere Monographien und viele Arbeiten über seine Funde im Genfer See und dessen Umgebung publiziert hat. Schr viele Arten tragen den Autorenvermerk dieses Alt- meisters der Rhizopodenforschung, der erst 1954 im Alter von 99 Jahren verstorben ist. Seiner Meisterhand entstammen auch die ausgezeichneten Dauerpräparate, die an verschiedenen Stellen Europas deponiert sind. Morphologie Zellkörper Der Zellkörper der Wurzelfüßer besteht aus einem Klümpchen Protoplasma, das ein Gemisch von Eiweißkörpern, Kohlenhydraten, Fetten, Salzen und Wasser darstellt. Seine Struktur ist durchaus nicht immer homogen: Eine äußere, meist dünnere Schicht, die eine zühere Konsistenz aufweist, schr durchsichtig und arm an Einschlüs- sen ist, wird als Ektoplasma bezeichnet. Demgegenüber ist das Ento- plasma, der innere Teil des Protoplasmas, dünnflüssiger, körnig und reicher an Einschlüssen. Es muß jedoch betont werden, daß es sich dabei nicıt um zwei ver- schiedene Plasmaarten handelt. Vielmehr treten uns hier zwei unterschiedliche kol- loidale Zustände des gleichen Plasmas entgegen; das festere Ektoplasma entspricht dem Gelzustand, das dünnflüssige Entoplasma dem Solzustand. Daraus ergibt sich auch, daß eine feste und dauerhafte Grenze zwischen den beiden Erscheinungsformen des Plasmas nicht besteht. Außerdem können die beiden Plasmaformen sich inein- ander umwandeln: das Entoplasma erhärtet, wenn es in die äußeren Schichten eintritt und dadurch zum Ektoplasma wird, und umgekehrt. Bei den Sonnentierchen (Heliozoen) finden wir eine andere, mehr wabenartige, Struktur des Protoplasmas. Zudem weist bei ihnen die innere Schicht kleinere Vakuo- len auf als die äußere. Deshalb spricht man auch von einer Rinden- und einer Markschicht. Pseudopodien Das charakteristische Merkmal aller Rhizopoden sind wurzelartige Fortsätze des Körperplasmas, auf die auch der Name „Rhizopoden“ oder „Wurzelfüßer“ hinweist. Diese Scheinfüßchen oder Pseudopodien stellen meist keine Dauer- organellen dar, sondern werden nur vorübergehend gebildet, indem Teile von Ekto- plasma oder aber Ektoplasma mit Entoplasma aus dem Körper herausflieen und die typische Gestalt annehmen. Bei einer Nacktamöbe z.B. läßt sich dieser Vorgang am besten beobachten, und man sicht deutlich, wie aus dem anfänglichen Klümpchen Plasma nach einiger Zeit Fortsätze entstehen, die dauernd ihre Form verändern und schließlich wieder ganz zurückgebildet werden können. Form und Ausbildung der Pseudopodien sind nicht bei allen Arten gleichmäßig Vielmehr kennen wir verschiedene Formen, die so charakteristisch sind, daß sie für die Klassifizierung eine bedeutende Rolle spielen (vgl. Abschnitt Systematik). Man unterscheidet folgende Typen: 1. Als Lobopodien bezeichnet man solche Pseudopodien, die eine mehr oder weniger breite, lappen- oder fingerförmige Form haben, deren äußerstes Ende stets 8 end“ Abb. 1: Schematische Übersicht über die Organisation bei Nacktamöben (a), Thekamöben (b) und Heliezoen (c). Die Abkürzungen bedeuter Kern, vn = Nahrungsvakuole, vc = kon- traktile Vakuole, ect = Ektoplasma, end = Entoplasma, p = Pseudopodien, po = Poren (nach Penard) abgerundet ist. Je nach ihrer Größe ändert sich der jeweilige Anteil an Ektoplasma und Entoplasma. Während kleine Lobopodien ausschließlich aus Ektoplasma bestehen, kann bei größeren Scheinfüßchen auch ein innerer Teil von Entoplasma an der Bil- dung beteiligt sein. Wegen ihrer Größe sind die Lobopödien schr leicht zu beobach- ten. Ihr Vorkommen ist auf die Ordnungen Armoebina (Nacktamöben) und Testacca (beschalte Amöben) beschränkt (Abb. 1a, b). 2. Als zweiter Typus sind die Filopodien oder filosen Pseudopodien zu nen- nen. Im Gegensatz zu den vorigen sind sie schr dünn, fadenförmig und zugespitzt. Da sie rein ektoplasmatischer Herkunft sind, sind sie schr hyalin (= durchscheinend) und daher schwer zu erkennen. Bei Dunkelfeldbeleuchtung oder im Phasenkontrast lassen sie sich wesentlich leichter beobachten. Während an einer Zelle steıs nur wenige Lobopodien vor- kommen, entspringen die Filo- podien zahlreich, oft in mehr oder weniger großen Büscheln. Außerdem neigen sie dazu. sich zu gabeln, wobei die Verästelungen sich sogar an den äußeren Partien wieder vereinigen können (Anastomo- sen). Die Bewegungen der Filopodien sind sehr viel schnel-